13.03.2025
Mit dem Formel 1-Saisonauftakt ist es irgendwie wie mit Weihnachten: Man weiß genau, wann er ist – aber er kommt dann doch immer viel zu schnell und hopplahopp. Den Teams gehen auch in diesem Jahr wieder die Vorbereitungstage aus, um ihre Neuwagen bis ins letzte Detail durchzuprobieren und kennenzulernen.
Und, ebenso eine gute Tradition: das Lesen im Kaffeesatz nach den Testfahrten. Wer ist denn nun wirklich Schnellster – und warum? Die Probefahrten fanden in Bahrein statt, das erste Rennen nun aber wieder in Melbourne – auf einer nicht-permanenten Rennstrecke mit vielen recht schnellen, langgezogenen Kurven. Die Charakteristik von Melbourne ist einzigartig: Man muss das Auto höher einstellen als das für das Layout der Kurven eigentlich ideal wäre. Denn die Piste führt über öffentliche Zuwegungen im städtischen Naherholungsgebiet Albert Park – einst ein Drogensumpf und Schandfleck der südwestaustralischen Metropole wie der Hamburger Stadtteil St. Georg, inzwischen ein auffallend schniekes Ziel für Bummler und Flaneure, ein bisschen wie die Außenalster.
Weil die Autos zu hoch daherkommen, geht die Schere bei der Konkurrenzfähigkeit weiter auseinander als auf vielen anderen Strecken. Und wer in Melbourne schlecht aussieht, muss nicht zwangsläufig auch für den Rest der Saison hinterdreinfahren. Das dürfte vor allem Mercedes Mut machen, denn der W16 hat bei Tests und vor allem internen Simulationen, welche die Schwaben eigentlich geheim halten wollten, gezeigt, dass er wieder nur bei einer ganz bestimmten Bodenfreiheit funktioniert. Mercedes ist auch in diesem Jahr wieder kein Titelanwärter.
Der klare Favorit der neuen Saison heißt McLaren. Je nach Quelle, haben die Briten aus Woking auf einer schnellen Runde einen Vorsprung zwischen einer und drei Zehntelsekunden – und über die gesamte Renndistanz hinweg bei den Simulationen sogar ein Guthaben von 22 Sekunden. Die Frage ist: Kann Oscar Piastri, der aus Melbourne direkt stammt, gleich beim Heimrennen eine interne Duftmarke setzen und sich vor den erfahreneren, aber in seiner Leistung schwankenderen Teamkollegen Lando Norris aus Bristol schieben? Das würde dem Jahr ordentlich Würze geben. Denn während es so scheint, als könnten die McLaren eine Soloflucht wie einst Mercedes und Red Bull ansetzen, liegen die beiden Teamfahrer intern enger beisammen als viele Teamkollegen zuvor. Seit Nigel Mansell und Nelson Piquet bei Williams Mitte der Achtziger hat es wohl keine derart brisante Ausgangslage innerhalb eines Rennstalls gegeben.
Die Überlegenheit liegt daran, dass McLaren die Umsetzung der aktuellen Aeroregeln bereits im vergangenen Frühjahr richtig interpretiert hat – und den dafür eingeschlagenen Weg sowohl bei der Luftführung als auch bei der Fahrwerksmechanik mit der Nick- und Wankkontrolle einfach nur konsequent weitergegangen ist. Verfolger Ferrari etwa musste gleich die ganze Aufhängunsgeometrie und die Position der Vorderachse ändern, um bei den Karosseriebewegungen auf ein vergleichbares Niveau zu kommen wie McLaren. Das macht es für die Roten schwerer, ihr ganz neues Funktionsprinzip des Autos schon zu Saisonbeginn zu verstehen.
Red Bull und Mercedes haben im Vergleich zu 2024 zu wenig weiterentwickelt. Sie sind auf ihren Tabellenplätzen in der internen Hackordnung stehengeblieben: Red Bull als dritte, Mercedes als vierte Kraft – hinter McLaren und Ferrari. Zwar wird es unter den großen 4 auch dieses Jahr je nach Rennstrecke Verschiebungen geben. Doch im Großen und Ganzen ist die Hierarchie festgemeißelt, mit klareren Abgrenzungen gar als im Vorjahr.
Der größte Gewinner des Winters ist – neben McLaren – das Williams-Team. Die Engländer haben mit einem neuen Aufhängungsprinzip an der Hinterachse so viel Zeit gefunden, dass sie sich an die Spitze des Mittelfeldes geschobene haben. Das Traditionsteam aus Grove ist die neue fünfte Kraft. Ohne Chancen, von sich aus ins Spitzenquartett vorzustoßen. Doch vermeintliche Größen wie Aston Martin und Alpine haben die unerschütterlichen Unabhängigen wieder hinter sich gelassen. Vieles spricht dafür, dass langsam, aber sicher die Renaissance des einstigen Weltmeisterteams beginnt.
Die Saison 2025 hat viele Gesichter. Den WM-Kampf, natürlich. Aber auch die Vorbereitung auf die ganzen neuen Motor- und Aerodynamikregeln, die ab 2026 gelten. Im Titelkampf wird viel darauf ankommen, welches Team ab wann seine Entwicklungsschwerpunkte voll auf 2026 verlagert. Red Bull hat damit bereits begonnen, Ferrari möchte sich dagegen so lange wie möglich auf die aktuelle Saison konzentrieren – und erst dann umschwenken, wenn klar ist, dass Neuzugang Lewis Hamilton und Charles Leclerc keine reellen Titelchancen haben.
Das kann freilich schon am Montag der Fall sein.