02.01.2023
Da liegt was in der Luft. Bei den Autos geht es auf der Dakar 2023 nicht einfach nur um den Sieg. Audi muss gewinnen, um die Ehre des ganzen VAG-Konzerns zu retten.
Denn man muss sich die motorsportliche wie auch wirtschaftliche Großwetterlage in der Automobilindustrie vor Augen führen: Toyota ist der große Sieger der letzten Jahre. Sowohl in Sachen Straßenautoverkäufe als auch im Sport.
So haben die Japaner die Sportwagen-Langstrecken-WM, die Rallye-WM und die Marathonrallye-WM gewonnen, dazu die großen internationalen Leuchtturm-Events wie die 24 Stunden von Le Mans und die Rallye Dakar 2022. Überall, wo Toyota im vergangenen Jahr angetreten ist, waren sie kaum zu schlagen. In der Sportwagen-WM hat das in Köln angesiedelte Entwicklungs- und Einsatzteam Toyota Gazoo Racing sogar sämtliche Rekorde gebrochen – mit einem Hypercar, das ausschließlich selbstkonstruierte Technik auf die Piste bringt. Anders als die LMDh-Boliden, die ab Daytona auf die Langstrecke gehen – dabei handelt es sich um Kundenautos mit EInheitshybridtechnik. Das Toyota-Hypercar ist ein reiner Eigenbau, der auf Strecke bringt, was der Toyota-Philosophie für Nachhaltigkeit entspricht. Und er ist klarer Klassenprimus. Seine Evostufe, die 2023 in Sebring debütieren wird, wird deswegen auch schwer zu schlagen sein.
Bei dem Hilux für die Dakar und die Marathon-WM ist es ähnlich. Der Pritschenwagen wird – samt Motor – bei Hallspeed in Kyalami entwickelt und gebaut. Die Anzahl der Zuliefererbetriebe ist auf ein Minimum reduziert, die Mannschaft vom Exilengländer Glyn Hall fertigt fast alles selber. Wie das aussieht, könnt Ihr in jener Ausgabe der Zeitschrift PITWALK lesen, für die Chefredakteur Norbert Ockenga Hallspeed einen Besuch abgestattet hat. Der Artikel steht hier: https://shop.pitwalk.de/magazin/77/ausgabe-52?c=6
Die Erfolge im Motorsport reflektieren die Entwicklung im Straßenautoverkauf. Bis zum Dieselskandal war der Volkswagen-Konzern drauf und dran, in der kumulierten Summe aller seiner Marken Toyota den Rang als größter Autohersteller der Welt abzulaufen. Davon ist keine Rede mehr. Die Japaner verkaufen mit ihrer Alltagsmarke Toyota und dem Nobelarm Lexus klar mehr Wagen als der VAG-Konzern.
Auch im Motorsport hat die VAG ihren Nimbus eingebüßt, seit man Audi und Porsche aus der LMP1-Ära der Langstrecken-WM abziehen und VW Motorsport in der Hannoveraner Ikarusallee zusperren musste, um wegen der Dieselschadenersatzforderungen – sowohl von Autobesitzern als auch von Aktionären – finanzielle Reserven zu horten. Auch die Transformation hin zu möglichst viel E-Mobilität ging ins Geld und mithin zulasten des Motorsports. An dem wird in Zeiten, in denen Autohersteller in Schieflage geraten, bekanntlich immer zuerst gespart.
So langsam erholen sich einige Marken des VAG-Konzerns wieder. Porsche kehrt in die Erste Liga der Sportwagen zurück. Audi bringt Elektrotechnik zur Rallye Dakar. Nicht so sehr als Nachhaltigkeitsikone. Denn der Zweiliter-Turbomotor, der während der Fahrt die Akkus für den elektrischen Allradantrieb speist, verbraucht auf den Etappen so viel Sprit wie ein Rallyeauto ohne E-Motoren, mit reinem Verbrenner als Antriebsquelle also. Aber die Eigenheiten der E-Motoren sorgen dafür, dass die drei Audi einen technisch-sportlichen Vorteil haben: unmittelbares Ansprechverhalten und irres Durchzugsvermögen der Motoren. Das ist gerade im Wüstenrallyesport nicht zu unterschätzen.
Der Prolog und die erste Etappe haben gezeigt: Audi ist mit dem komplett neu aufgebauten zweiten E-Auto eigentlich nicht zu schlagen, kann die Rallye faktisch nur selbst aus der Hand geben. Auch wenn die Toyota auf jenen Etappen, die in höhere Lagen führen, keinen so großen Leistungsnachteil mehr haben wie in den ersten Tagen auf Normalnull. Das liegt an einer Neueinstufung bei den Ladedruckkurven für den V6-Turbo, der auf Meereshöhe weniger Leistung haben darf als 2022, in Höhenlagen aber deutlich weniger Einbußen hinnehmen muss.
Audi steht unter Erfolgszwang. Denn der Dakar-Sieg würde ein Lebenszeichen bedeuten, das vom Sport auf die allgemeine Industrie abstrahlen könnte. Die Marke fährt nicht nur für sich, sondern für den ganzen Konzern. Und nicht für den Sport, sondern für die gesamte Wirtschaft.
Toyota ist der große Profiteur von Dieselskandal und hastiger Transformation hin zur E-Mobilität bei der VAG. Und das nur, weil die Japaner in allen Belangen einfach so stringent weitergearbeitet haben wie immer. Das Jahr 2023 wird zeigen, ob die Japaner die Deutschen weiter auf Abstand halten können – oder ob die VAG-Marken aus der Talsohle rauskommen und zur Aufholjagd blasen. Die ersten beiden Wochen im Januar sind da schon ein klarer Indikator.