05.01.2023
Das Heldenepos hielt nur einen Tag. Gestern hat Mike Wiedemann, der süddeutsche Privatier in der Kistenfahrerwertung für Motorradler ohne Mechaniker und Team im Hintergrund, die Segel streichen müssen – nachdem Wiedemann am Tag zuvor die Führung in dieser einst als Malle Moto bekannten härtesten Klasse der Rallye Dakar übernommen hatte.
Am Mittwoch gab es eine ganze Tranche von Benzinkanistern, in denen sich unter dem Treibstoff eine etwa drei Daumen hohe Schicht Wasser abgelagert hatte. Wer das Pech hatte, diesen verunreinigten Sprit zugewiesen zu bekommen, wurde im Laufe der Etappe zuerst von Aussetzern und schlimmstenfalls sogar von kaputten Benzin- oder Einspritzpumpen heimgesucht. Und ihm ging das Benzin aus. Das war ohnehin schon knapp kalkuliert, weil der Wüstensand vom Regen in den Tagen und der Nacht vor der Etappe durchweicht und tief war, sodass Räder und Reifen ziemlich wühlen mussten.
Wiedemann fiel genau diesem verunreinigten Benzin zum Opfer. Wie auch Sebastian Bühler, der bis dato in Führung liegende Mason Klein und die Spitzenreiter aus der Side-by-Side-Prototypenklasse, Seth Quintero/Dennis Zenz. Wiedemann musste unterwegs mit trockengefallenem Tank stehen bleiben – und aktivierte ein Notprogramm, das es in sich hatte, aber am Ende trotzdem in der Aufgabe mündete.
Hier seine mitreißende Schilderung in eigenen Worten:
Die ersten 80 Kilometer konnte ich wieder eine Wahnsinns-Pace gehen. Ich bin nach 10 Kilometern schon auf Docherty aufgelaufen, der normaler Weise nichts anderes macht als Rallyes Fahren. Mit dem konnte ich dann zusammen fahren, bis bei Kilometer 80 mein Bike plötzlich angefangen hat zu stottern. Ich hielt an und sah, dass unten aus dem vorderen Tank der ganze Sprit ausläuft. Die Spritpumpe hing nur noch mit einer Schraube am Tank.
Ich habe es dann irgendwie wieder zusammen geflickt – aber hatte dann natürlich keinen Sprit mehr vorne. Nach 150 Kilometern bin ich stehengeblieben. Mir sind die Tränen gekommen… ich wusste: Es ist noch nicht vorbei, aber von einer guten Position war nicht mehr die Rede.
Mattheu Troquier, ein guter Freund, kam nach zirka 20 Minuten, er gab mir zwei Liter Sprit, mit dem ich allerdings nicht weit gekommen bin. Nach 10 Kilometern stand ich wieder. Genau bei Ross Branch, der auch in der Wüste stand ohne Sprit. Er hatte bereits zwei Einheimische geschickt, um Sprit zu holen. Die kamen dann nach einer Stunde zurück, und wir konnten weiterfahren.
Nach 20 Minuten stand ich zum dritten Mal, das Bike stotterte nur noch. Ich hatte das halbe Bike zerlegt und die Tanks komplett leer gemacht.
Zum Glück sah ich dann einen Kilometer weiter auf einer Düne ein Auto mit zwei Einheimischen, denen ich mit meiner Jacke zuwinkte. Denen hab' ich dann 50 Euro gegeben damit sie mir Sprit bringen. Dann stand ich da eine Stunde und wartete auf die Jungs. Danach hieß es, Volltanken und weiter fahren – aber nach nur zwei Kilometern war Ende Gelände. Das bike stotterte nur noch, hatte Aussetzer – und dann ging gar nichts mehr.
Im Endeffekt hatte ich Wasser im Tank. Wie viele andere die heute liegen geblieben sind. Ob das jetzt von der Tankstelle kam oder von den Lokals, ich weiß es nicht. Fakt ist: Ich bin raus und bin nach 15 Stunden zurück im Bivouc, aber ohne Bike.
Man kann sich nicht vorstellen, wie ich mich gerade fühle. Ein ganzes Jahr Vorbereitung, die ganzen Sponsoren und der ganze Aufwand.
Ich hatte mich so richtig wohl gefühlt auf dem Bike, konnte das Tempo von den Jungs mitgehen, die normaler Weise das ganze Jahr nur Rallyes fahren und in der Wüste trainieren. Ich wünschte, ich hätte diese Chance auch mal, nur um zu sehen wie ich mich dann schlagen würde.
Ich könnte in zwei Tagen außerhalb der Wertung weiterfahren, habe mich aber dazu entschieden, dies' nicht zu tun. Wenn ich nicht in der Wertung bin, ist mir das Risiko zu hoch weiterzufahren, da ich vermutlich nicht mehr hundertprozentig konzentriert bin. Auch die Kosten und der Verschleiß spielen eine Rolle.
Ich werde aber wie immer stärker zurückkommen und all' die positiven Dinge mitnehmen, die ich die letzten Tage erlebt habe. Ich konnte meinen ersten Etappensieg einfahren, ein mega Speed gehen und hatte richtig Spaß beim Fahren.
Jetzt werde ich erstmal ein bisschen Zeit für mich brauchen.