30.01.2019
Es gibt bei den 24 Stunden von Daytona einerseits einen sehr netten Service für uns Medienschaffende. Andererseits sorgt genau der aber auch dafür, dass eine genaue Analyse des Rennens um so schwieriger wird – weil im Gegenzug wichtige Informationen vorenthalten bleiben.
Die Veranstalter mühen sich redlich, jeden Tag so viele Fahrer und Teamchefs wie möglich ins kleine Pressezentrum in Innenfeld, direkt neben den NASCAR-Garagen, zu holen. Und die geben sich bei den Pressekonferenzen red- und leutselig. Alessandro Zanardi ist jeden Tag ein Mal auf der Bühne gewesen und hat jeweils wie ein Wasserfall geredet, ohne sich dabei allzu oft zu wiederholen. Das allein ist schon eine Kunst: In jeder Fragestunde was Neues zu erzählen, ohne die Zuhörer mit bekannten Phrasen zu langweilen. Die meisten Formel 1- und DTM-Fahrer schaffen das im ganzen Jahr nicht. Zanardi dagegen nimmt sich permanent selbst auf die Schippe, bringt die Berichterstatter zum Lachen und nimmt sie mit in sein Leben ohne Beine, ohne dabei Mitleid erheischen zu wollen.
Wenn Ihr wissen wollt, was ich meine, hört Euch noch mal unseren PITCAST – also den Podcast der Zeitschrift PITWALK – unter dem Menüpunkt The Big One an, dann wisst Ihr sofort, wovon ich hier schreibe.
Oder lasst Euch Zanardis Aussage von nach dem Rennen auf der Zunge zergehen, selbst wenn er 10 Beine hätte, hätte er im Regen niemals so gewaltig fahren wie Augusto Farfus im Sieger-BMW.
Das würdigt nicht nur die Leistung des Brasilianers völlig zurecht – es zeugt auch von ungewohnter Ehrlichkeit, Empathie und Selbstironie.
Auch andere Auftritte waren durchaus denkwürdig. Siegerteamchef Wayne Taylor erzählt beim Roar-Vortest und nach dem Rennen jeweils die Geschichte, wie er gedankenversunken um drei Uhr nachts japanischer Zeit bei Kamui Kobayashi angerufen hätte, dann aber gleich wieder aufgelegt hätte, als ihm die Sache mit der Zeitverschiebung aufgefallen sei – und wie Kobayashi binnen Minuten die ihm unbekannte Nummer zurückgerufen hätte: Wer ist denn da bitte?
Kumi, so spricht Taylor seinen japanischen Schützling immer aus, habe dann mit einem knappen Wort zugesagt, Daytona für WTR-Cadillac fahren zu wollen.
Auch die Elegien von Fernando Alonso, AJ Allmendinger und Teamchef Kevin Buckler oder das hemmungslose Weinen von Christian Fittipaldi nach seinem letzten Rennen taugen als Stoff für Geschichten. Und das kommt Vielen gelegen – gerade an einem Tag, der so regenverhangen ist wie der Sonntag, braucht man sich gar nicht in Wind und Wetter rauszuwagen, um seine Geschichten fertigzukriegen.
Wer das so handhabt, kommt auch ohne Erkältung aus den Unwettern raus.
Doch der gute Service kaschiert auch das völlige Fehlen von einer wichtigen Informationsquelle, die Journalisten etwa bei der Formel 1 wie selbstverständlich aus den Ablagefächern im Pressezentrum ziehen können: die genauen Zeitenlisten nicht für Runden-, sondern auch für Sektorenzeiten, Höchstgeschwindigkeiten und verschieden aufgeteilte und filetierte Zeitnahmedetails. Amerikanische Journalisten sind offenbar eher fürs Seichte zu haben, nicht so sehr für die Analyse.
So kann denn durchaus der Eindruck entstehen, die Joest-Mazda hätten in der Anfangsphase mit einem gewaltigen Tempo losgelegt und seien an der Spitze davongestürmt, hätten in Person von Oliver Jarvis quasi den Taktstock des Rennens geschwungen.
Doch wer ein bisschen genauer recherchiert und sich dazu auch in Sturm und Regen wagt, der kriegt mit einer gewissen Hartnäckigkeit raus: Tatsächlich ist das Rennen in der DPi völlig anders gelaufen. Die Choreografie gehorchte zwar zunächst immer noch dem Taktstock von Jarvis und seinen Teamkollegen René Rast, Tristan Núñez und Timo Bernhard – aber die gaben einen völlig anderen Rhythmus vor. Und Penske-Honda passte sich an, während die Cadillac-Teams ihren eigenen Tanz hinlegten. Einen deutlich schnelleren Pogo eigentlich, bei Lichte besehen.
Die Analyse des Rennens fällt schwer. Aber Journalismus ist Kontaktsport, deswegen haben wir das im aktuellen PITCAST ja auch sehr wohl hingekriegt, die wahre Geschichte des Rennens zu lesen. Und Euch in einem hintergründigen Online-Radiobeitrag aufzubereiten, sodass jeder kapiert, wie der Marathon in echt gelaufen worden ist.
Das muss für den nächsten Lauf übrigens alles noch nicht viel heißen. Denn für die Einstufung aller Autos im Zuge der BoP-Gleichschaltung zogen die Veranstalter in Daytona nur die letztjährige Ausgabe des Nudeltopf-Klassikers, den Roar-Vortest und – für die neuen GT3 von Lambo, Porsche und Audi – theoretische Daten aus Windkanal und Simulationen heran. Ab den 12 Stunden von Sebring wird die BoP dann wieder ganz normal anhand von Daten und Wissen aus dem Verlauf der letzten IMSA-Rennen ermittelt, also bis zum Saisonfinale 2018 auf der Road Atlanta.
Die 12 Stunden von Sebring spielen dann in unserer nächsten Ausgabe der Zeitschrift PITWALK eine tragende Rolle. Sie werden sogar die Titelgeschichte. Denn dort fährt ja nicht nur die IMSA, sondern auch die Sportwagen-WM. Und eine Woche vorher sind die IndyCars in St. Petersburg, man kann also drei Rennen in sechs Tage erleben und dabei auch noch einen feinen Urlaub in der milden Sonne Floridas machen.
Deswegen widmen wir Sebring sowohl historisch als auch der IMSA aktuell einen ganz breiten Rahmen im neuen Heft. Das stellen wir mit unserer kleinen, aber feinen Truppe dieser Tage gerade fertig. Wenn auch gepeinigt von bösem Husten und Halskratzen und daher unter Dauermedikamenteneinfluss. Aber irgendwie mussten ja schließlich auch die Informationen für die genaue Rennanalyse des Podcasts zusammenrecherchiert werden.
Habt Ihr ihn schon gehört? Wenn nicht – Ihr werdet verblüfft sein, was da alles zusammengetragen worden ist. Als nix wie hin in die Rubrik PITCAST und den Menüpunkt Racing Round-Up, da is' die letzte Veröffentlichung vor Ausbruch der Mordserkältung.