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26.07.2024

Flutlicht-Spiele


Speedway zieht seit ein paar Monaten immer mehr PITWALK-Leser und PITCAST-Hörer in seinen Bann. Nicht zuletzt, seit dieser spektakuläre Motorradsport regelmäßig Platz in den 180 Seiten dicken Ausgaben von Deutschlands größter Motorsportzeitschrift eingeräumt bekommt und seit PITWALK-Chef Norbert Ockenga mit Rennfahrer Martin Smolinski ein Mal pro Woche einen Expertentalk auf dem YouTube-Channel PITWALK-TV ausrichtet: https://www.youtube.com/watch?v=dTLETObIEvM&t

Mehr und mehr Leser von PITWALK, die sich eigentlich hauptsächlich für Autorennen interessieren, entdecken inzwischen auch ihr Herz für Speedway und Eisspeedway. Das beweisen nicht zuletzt die vielen Rückmeldungen über Social Media oder per Email. An diesem Wochenende können sie nun eine weitere Facette des Bahnsports entdecken: Grasbahnrennen. In Werlte im Emsland findet am Samstagabend ein echter Klassiker unter Flutlicht statt, den kein Motorsportinteressierter verpassen sollte.

Grasbahnrennen sind – genau wie die Schwesterdisziplin auf der Langbahn, in der Smolinski Weltmeister ist – artverwandt mit Speedway, aber dennoch eine andere Sportart. Die Motorräder sehen ähnlich aus; sie verfügen auch über Halblitermotoren und haben ebenfalls keine Bremsen, aber anders als ein Speedwaybike sehr wohl ein Getriebe. Auf dem Weg zur ersten Kurve legen die Fahrer über einen Hebel am Lenker den zweiten Gang ein, in dem fahren sie dann die restliche Distanz der vier Runden langen Läufe zu Ende.

Die Bahnen sind deutlich länger als beim Speedway. Langbahnen wie in Mulmshorn oder dem absoluten Extrem im bayerischen Mühldorf messen schon mal einen Kilometer. Grasbahnen sind zwische gut 500 und 800 Meter lang. Auf der Langbahn fährt man von Anfang an auf einem tiefen Geläuf, das je nach Anlage aus mehr oder weniger Muttererde besteht. Bei Grasbahnrennen beginnt man – der Name lässt es erahnen – auf einer gemähten Miese, doch die Hinterräder der Maschinen rupfen derart an der Grasnarbe, dass die Fahrer auch hier nach wenigen Läufe schon in bloßer Erde wühlen. Die Geschwindigkeiten der Motorräder sind deutlich höher als beim Speedway. Man driftet auch nicht so sehr, sondern fährt eher im tiefen Material in einer abenteuerlich schrägen Haltung: halb im Drift, ein Viertel in Schräglage. Grasbahnrennen sind Festivals of Speed, die extrem viel Kraft erfordern, um die leichten Maschinen in der Beherrschung zu behalten.

Weil die beiden Sparten artverwandt sind, treten viele Speedwayfahrer auch auf Gras- und Langbahnen an. Es gibt allerdings auch Spezialisten, die sich auf die längeren Strecken spezialisiert haben. Und traditionell sind die Deutschen auf Gras- und Langbahnen erfolgreicher als auf der kurzen Speedwaybahn.

An diesem Sonnabend kommt es in Norddeutschland zu einem ganz besonderen Crossover der beiden Disziplinen: Werlte ist die Heimatstadt von Kai Huckenbeck, dem einzigen Deutschen in der Speedway-WM – und seit mehr als 50 Jahren Ausrichterort für eines der besten und international renommiertesten Grasbahnrennen überhaupt.

Am Samstag, 27. Juli 2024, starten 16 Solisten aus den verschiedensten Ländern Europas auf der 541 Meter langen Grasbahn in Werlte. In insgesamt acht Vorläufen plus dem Finale treten die Biker der internationalen Soloklasse gegeneinander an und kämpfen Rad an Rad um jeden einzelnen Punkt. Namen wie Stephan Katt, Romano Hummel, Paul Cooper, Dave Meijerink, Jakob Bukhave, Charly Powell und Henry van der Steen werden definitiv nicht fehlen. Sie alle haben sich auf die Gras- und Langbahn spezialisiert.

Wobei „Super-Cooper“ oder auch „der Cooperman“, wie er von seinen leidenschaftlichen Fans genannt wird, sich im März in Heerenveen erstmals auch aufs Eisspeedway wagte – die dritte große Disziplin unter dem Dach des Bahnsports, die in PITWALK regelmäßig Beachtung findet.

Meijerink sicherte sich vor wenigen Wochen den zweiten Platz in der Grasbahn-EM – hinter Chris Harris aus dem englischen Cornwall. Der bullige Draufgänger aus dem Rosamunde-Pilcher-Landstrich hätte eigentlich auch in Werlte fahren wollen. Doch er muss Wochenendes des Werlter Spektakels in einem Langbahn-WM-Rennen in La Réole bei Bordeaux ran und hat auch zeitlich enge Speedwayligatermine auf der britischen Insel.

Meijerink und der 35-jährige Däne Kenneth Kruse Hansen sind somit die großen Favoriten auf den prestigeträchtigen Werlte-Sieg – den auch Katt aus Neuwittenbek bei Kiel sich schon ans Revers hat heften dürfen. Katt hat sich von einem Horrorsturz auf der Scheeßeler Langbahn vor zwei Jahren, der bedrohlich wirkte und lange Nachwirkungen hatte, inzwischen wieder erholt. Auch wenn die Krankenakte des : zertrümmertes Sprunggelenk, geprellte Lendenwirbel und 15 Rippen geprellt, eine Thoraxdrainage in den Brustkorb war auch nötig. In den ersten Wochen nach dem Horrorcrash kam Katt nur mit 16 Tabletten und einem Opiat täglich schmerzfrei über die Runden, inzwischen ist der Holsteiner wieder ein absoluter Siegfahrer.

Der 25-jährige Niederländer Romano Hummel, auch ein ehemaliger Langbahn-Einzel- wie Teamweltmeister, stürzte hingegen erst am vorigen Wochenende bei einem Grasbahnrennen in Aduard nördlich von Groningen in den Niederlanden, musste tags drauf ein Rennen im benachbarten Nordwoolde verletzungsbedingt auslassen und kehrt in Werlte wieder in den Sattel zurück.

Auch die Werlter Clubfahrer Fabian und Timo Wachs haben die Möglichkeit, vor der Heimkulisse ihre Mitstreiter zu ärgern und um den Einzug ins Finale zu kämpfen. Ebenso werden die jungen emsländischen Nachwuchstalente wie William Kruit, Mario Niedermeier, Jens Benneker und Mika Meijer keine Chance verpassen wollen, den Oldies wertvolle Punkte zu stehlen.

Neben der internationalen Elite startet im Emsland auch ein nationales Feld sowie die spektakulären Seitenwagen – die PITWALK-Leser schon von einem sexy Feature der Beifahrerin Kim Kempa in dieser vergangenen Ausgabe https://shop.pitwalk.de/magazin/108/ausgabe-69?c=6 kennen. Am Ende des Abends, der um 18:30 Uhr beginnt und unter Flutlicht stimmungsvoll endet, gibt es ein Aufeinandertreffen der besten nationalen und internationalen Fahrer in einem Handikaprennen.

Auf den Geschmack gekommen? Ein paar weitere stimmungsvolle Impressionen vom Grasbahnrennen in Werlte 2023 von Bahsnportstarfotograf Jesper Veldhuizen, quasi als Aperitif, findet Ihr hier: https://www.pitwalk.de/pitlive/bilder-des-tages/saturday-night-schieber Also: Nix wie hin in die norddeutsche Kleinstadt.

Werlte erreicht man am besten über die A31, die Ostfriesland mit dem Ruhrpott verbindet. Wer geschickt plant, reist sonntags weiter bis kurz hinter Bremen, wo in Schwarme gleich das nächste hochkarätig besetzte offene Grasbahnrennen stattfindet.

Alle Fakten zum Samstagabendklassiker im Emsland:

Hümmlingring-Arena des MSC „Hümmling“ Werlte, Rastdorfer Straße, 49757 Werlte
Start: 18.30 Uhr; Fahrervorstellung 18 Uhr, Training ab 13.30 Uhr
Eintrittspreise: Erwachsene 20 Euro; Kinder 12 – 17 Jahre 12 Euro, Kinder bis 12 Jahre frei, Schwerbehinderte mit Ausweis 12 Euro

Mehr Informationen unter http://www.msc-werlte.de


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