11.07.2019
Wer die Disqualifikation des Manthey-Porsche nach dem 24 Stunden-Rennen auf dem Nürburgring verstehen möchte, der muss sich zunächst mit der Balance of Performance als Gesamtkunstwerk befassen. Denn die BoP ist für die Grüne Hölle deutlich vielschichtiger als bei anderen GT3-Rennen, etwa den europäischen Sprint- und Langstreckenrennen, wozu dann auch bald das 24 Stunden-Rennen von Spa zählen wird.
Warum? Weil die Nordschleife länger, schneller und unebener ist als normale Rennstrecken. Und weil es in der Eifel einen Reifenkrieg gibt, während alle anderen GT3-Rennserien auf Einheitsreifen unterwegs sind.
Die BoP-Stellschrauben für den Nürburgring bestehen deswegen nicht nur aus den üblichen Faktoren wie Durchmesser der Luftmengenbegrenzer vorm Motor, Tankinhalt, Fahrzeuggewicht oder Ladedruck – auch mal in einer Relationstabelle, abhängig zur jeweiligen Drehzahl. Die gelten am Ring auch alle.
Aber dazu kommen noch eine Menge weiterer Elemente. Die BoP-Tabelle für den Nürburgring wird gebildet aus
Bei manchen Stellschrauben, nämlichn den aerodynamischen, unterscheidet man am Ring zudem noch zwischen Konfigurationen für verschiedene Reifenausrüster.
Am Beispiel des in der Causa Manthey unter Beschuss geratenen Porsche 911 GT3 R der zweiten Generation galten folgende Werte:
Zum Vergleich hier mal die Daten der beiden Hauptgegner:
Mercedes-AMG, in der Anfangsphase bis zu einem Unfall mit der Supra von Uwe Kleen in den Händen von Maro Engel, Manuel Mezger, Dirk Müller und Adam Christodoulou klar führend:
Audi R8, mit dem Phoenix-Team und gefahren von Frank Stippler, Pierre Kaffer, Frédéric Vervisch und Dries Vanthoor siegreich – selbst wenn der Manthey-Porsche nicht disqualifiziert worden wäre:
Die ganze Einstufung ist quasi wie eine Sachaufgabe im Matheunterricht. Man muss das Leistungsgewicht auf ein ähnliches Level bringen, dabei aber auch die Abtriebswerte und – Nürburgring-spezifisch – das Potenzial der Reifen mit ins Kalkül ziehen. Erschwerend kommt hinzu, dass Vertreter des DMSB die GT3 für zu schnell für die Nordschleife erachten, also zu Jahresbeginn mit einer pauschalen Leistungsreduzierung von fünf Prozent reingegrätscht sind. Denn nur auf der Nordschleife gelten festgeschriebene Höchstleistungen, aus Sicherheitsgründen, nicht einfach nur Restriktor- oder Ladedruckgrenzen.
Und man darf nicht vergessen: Am Samstagmorgen vorm dem Rennen mussten die Porsche 20, die Mercedes 10 Kilogramm zuladen, als Redaktion auf das Ergebnis aus dem Einzelzeitfahren. Das allerdings war schon verwässert. Denn dort fuhren nur die Mercedes mit allen Betriebsstoffen ausschließlich für zwei fliegende Runden: Benzin, Öl, Kühlwasser, Bremsbeläge etc. Netto mussten die Porsche, die das Meiste schon für den Renntrimm befüllt und hergerichtet hatten, deswegen nur etwa sechs bis acht Kilogramm zuladen. Die Differenz? Wie ein Tara beim Schlachter – nur dieses Mal gebildet nicht aus der Verpackung, sondern aus den Betriebsmitteln, die man unnötig mitschleppte.
Das machte übrigens nicht nur Porsche so, sondern auch BMW. Aber die Münchener hatten sowieso verwachst. Denn beim vorigen Qualirennen hatte das Team von Henry Walkenhorst mit neuen Yokohama-Reifen aus der Super-GT eine dermaßen überlegene Vorstellung hingelegt, dass alle M6 GT3 vor Beginn des Marathonwochenendes ordentlich einen von der BoP eingeschenkt bekommen hatten. Zum großen Verdruss der Chefetage, die Walkenhorst in einer internen Besprechung äußerst rüde attackierte, warum die Osnabrücker nicht versucht hätten, ihr Potenzial zu verschleiern – so hätten sie der ganzen Marke geschadet. Ein Teil der Einstufung wurde fürs Rennen zwar zurückgedreht. Aber da war das Kind schon im Brunnen, die Startplätze so schlecht, dass drei Top-BMW sich mit dem Mute der Verzweiflung in Unfälle verstrickten.
Wie schief der Haussegen bei BMW nach dem neuerlich verkorksten Auftritt hing, beweist die Tatsache, dass alle Schnitzer-Piloten – Augusto Farfus, Martin Tomczyk, Timo Scheider und Sheldon van der Linde – noch am Samstagabend völlig desillusioniert abreisten. Und dass sich seither alle vor den Konsequenzen von Technikvorstand Klaus Fröhlich fürchten, der das Rennen über weite Teile mit kundigem Blick im Schwalbenschwanz oder von den Boxen und dem Fahrerlager aus verfolgt hat.
Manthey dagegen hat mit dem offenen Umgang mit dem Lapsus und der Disqualifikation – auch und nicht zuletzt in unserer PITCAST-Episode mit Geschäftsführer Nicki Raeder unter The Big One – selbst den Druck vom Kessel genommen.