14.05.2019
Ist das ein neuer Trend? Plötzlich entdecken die Serienbetreiber wieder den Flair alter Rennstrecken. Das Comeback von Zandvoort in der Formel 1 ab 2020 ist da nur die Spitze des Eisberges. Das DTM fährt dieses Wochenende in Zolder, der Tourenwagen-Weltpokal startet jetzt schon in Zandvoort.
Beide Strecke sind von Westdeutschland aus sehr einfach zu erreichen. Beide haben Formel 1-Hintergrund aus einer Zeit, als in der Königsklasse noch Helden gemacht wurden, aber auch Helden gestorben sind. Beide liegen eingebettet in eine malerische Landschaft. Und beide haben auch im deutschen Motorsport Tradition – der Bergische Löwe als Austragungsort des DTM-Auftakts, als diese Serie noch ihren Namen verdiente, und der Dünenkurs an der Nordseeküste als Herberge vor allem für den Breitensport mit der unvergessenen, gleichzeitig schmerzlich vermissten Top Ten-Veranstaltungsreihe mit DTC, V8Star und Co.
Bevor das hier zu nostalgieduselig wird, sollte man lieber überlegen, wo man dieses Wochenende hingeht. Und da fällt die Antwort nicht schwer: Zandvoort.
Denn die WTCR, wie der Tourenwagen-Weltpokal sperriger Weise heißt, bietet den ehrlicheren Motorsport. Die Zweiliter-Turbos sind echte Tourenwagen. Mit ihnen kann man austeilen, sie können aber auch einstecken. Und ihr Charakter als Fronttriebler erlaubt es den Piloten auch, aus solchen Raufhändeln wieder rauszukommen: einfach Vollgas geben, dann zieht die Vorderachse den driftenden Wagen schon wieder aus dem Schlamassel. Sieht spektakulär aus, muss auch gekonnt sein, denn ist eine ziemliche Zirkelei am Volant – aber funktioniert gerade im wilden Haufen des Weltpokals immer wieder.
Das DTM hingegen setzt immer noch die falschen Prioritäten: zu viel Aerodynamik, dazu das bemüht wirkenden Verlangen nach mehr Motorleistung. Die Formel zum Erfolg lautet anders: Luftführung beschneiden, dazu mehr Leistung – dann gibt's auch packende Rennen. Gekünstelte Spannung will keiner sehen. Das erkennt man am bescheidenen Zuschauerzuspruch beim Saisonauftakt in Hockenheim.
Und mehr noch: Im Weltpokal dürfen die Fahrer noch Mensch und Haudegen sein, und sie leben das in einer Mischung aus Höflichkeit und Haudegentum aus. Zwar hat die Kommunikationspolitik von VW Rob Huff in eine abwehrende Arroganz getrieben, die dem Engländer gar nicht zu gesteht und die auch nicht zu ihm passt. Aber generell ist der Umgang mit den Fans im WTCR-Fahrerlager ein echtes Erlebnis.
Im DTM dagegen muss Ferdinand Habsburg sich in eine James-Bond-Kostümschau werfen, um dem Aston Martin-Einstieg von R-Motorsport – und ohne Einfluss vom Werk – eine Geschichte überzustülpen.
Dazu fällt besonders auf: Die Mitveranstalter jenes Fernsehsenders, der die WTCR überträgt, haben sich ab 2019 in ihren Magazinsendungen von genau jenem Storytelling wieder verabschiedet, in das sich das DTM gerade wieder hineinsteigert. Die halbstündigen Zusammenfassungen kommen nun wieder als ernsthafte Sportberichterstattung daher – Rennbilder, O-Töne der Fahrer, Analysen des Wochenendes. So muss das sein, wenn man glaubwürdig Motorsport treiben und transportieren möchte.
Und Zandvoort lockt noch mit einer weiteren Delikatesse: Max Verstappen dreht Demorunden in seinem Red Bull-Formel 1-Boliden.
Allein das wird dafür sorgen, dass die Dünen und Tribünen an der Nordsee vor Zuschauer überquillen. Und die Niederländer sind bekanntlich besonders gut darin, Stimmung zu verbreiten. Also: ab ans Meer!