08.01.2022
Der Ruhetag in Riad war ein Tag voller Palaver. Hinter den Kulissen gab es ein Treffen der FIA-Regelmacher mit einigen Technik- und Teamvertretern der Hecktrieblerfraktion aus der Autowertung. Denn die fühlen sich nach einer Regeländerung, die seit dem 1. Januar greift, benachteiligt: Alle Buggys müssen dieses Jahr mit einem um einen Millimeter kleineren Luftmengenbegrenzer ausrücken. Das kostet sie 20 PS oder eine halbe Sekunde auf jedem Rallyekilometer.
Die Dramaturgie der Rallye mit ihrem feucht-morastigen Beginn im weichen Sand machte das wahre Kräfteverhältnis zunächst schwer zu lesen. Doch inzwischen kristallisiert sich heraus: Die Hecktriebler sind gegen die neuen T1+ mit ihrem Allradantrieb chancenlos. Das Kräfteverhältnis hat sich gegenüber 2021 exakt auf den Kopf gestellt. Die scheinbare Chancengleichheit zwischen beiden Konzepten scheint nicht gegeben.
Für eine genaue Analyse ist es noch zu früh. Die wird in der Februar-Ausgabe der Zeitschrift PITWALK erfolgen, wenn alle Daten und auch die Abstimmungs- und Technikmaßnahmen der Teams in Ruhe recherchiert werden konnten.
Doch auch auf einem weiteren Gebiet gab's reichlich Ärger: bei der Festlegung der Startreihenfolge für den morgigen Tag. Die FIA-Funktionäre haben nicht nur die generelle Staffelung von Autos, Side-by-Side und Lkw geändert, sondern sich auch noch das Recht ausbedungen, manche Elite-Besatzungen nach vorn ziehen zu dürfen. Das sorgte auf der zuerst veröffentlichten Startreihenfolge für die erste Etappe nach dem Ruhetag für ziemliche Genervtheit etwa bei Kuba Przygonski/Timo Gottschalk und auch bei den südafrikanischen Century-Jungs, die unter den Opfern dieses Verschiebebahnhofs gewesen wären.
Century-Chef Julien Hardy lag der Rallyeleitung daraufhin am Ruhetag so lange in den Ohren, bis die Sportkommissare ihre Art, die Startreihenfolge festzulegen, in einem ausgiebigen Bulletin grundlegend überarbeiteten – und sich selbst viele Freiheiten nahmen. Die ersten 50 der Autowertung starten nun wieder in konventioneller Reihenfolge.
Das Bulletin der Sportkommissare zur Änderung der Startreihenfolgeregelung, das um 18:45 Uhr am Ruhetag rauskam, trägt mehr rote als schwarze Schrift in sich – und mehr Rot als eine Matheklausur eines Begriffsstuzigen mit Lernschwäche in der Oberstufe. Der erste Blick auf dieses Dokument als Dokumentation der Funktionärkompetenz spricht Bände.
Bleibt die Frage: Warum das alles? Die Dakar ist 2022 erstmals Auftakt der neuen Marathon-WM. Damit hat die A.S.O. als Veranstalter nicht mehr das alleinige Sagen – sondern alles Sportliche und Technische rückt unters Dach des Automobilweltverbands FIA als WM-Ausrichter. Da müssen offensichtlich gerade Claims abgesteckt und Reviere markiert werden – zulasten der Teilnehmer.
Es ist nicht das erste Mal in letzter Zeit, das solch' ein Gerangel um die Befehlsgewalt über ein Großereignis für Irritationen sorgt. Als die 24 Stunden von Le Mans in die Sportwagen-WM integriert wurden und damit zu LMP1-Zeiten wieder unter FIA-Ägide gerieten, spielten sich an der Sarthe sehr ähnliche Ränkespiele ab. Geholfen haben Sie dem Sport nicht.