02.01.2022
Da sitzt sie nun in ihrer schwarzen Jacke, und ihr zierlicher Körper versinkt fast im übergroßen Futter. Aus ihrem Abenteuer, sagt Camelia Liparoti am Abend der ersten Etappe der Rallye Dakar 2022, sei auf einen Schlag ein Albtraum geworden.
Der 53-Jährigen aus Livorno, einer ostitalienischen Hafenstadt am Ligurischen Meer, ist nichts mehr geblieben außer das, was sie am Leibe trägt – ihr blauer Rallyeoverall und ihre feuerfeste Unterwäsche/Socken-Garnitur. Alle anderen Habseligkeiten sind ein Raub der Flammen geworden.
Denn schon am ersten Tag geht ihr Wohnmobil, das zusammen mit der ganzen Biwak-Infrastruktur auf einer Serviceroute neben der Rallye mittingelt, unterwegs plötzlich in Flammen auf, brennt sofort lichterloh und bis auf die Bodengruppe runter. Liparoti fährt als Teamkollegin von Annett Fischer im Yamaha-Team von X-Raid in der Side-by-Side-Prototypenklasse – und steht nach der ersten Etappe ratlos im Biwak von Ha'il. Was sie machen solle, fragt die kleine Blonde rhetorisch, abreisen etwa? Sie hätte ja nicht mal mehr ihren Reisepass, der sei ebenfalls mit ihm Wohnmobil verbrannt; also hätte sie doch gar keine andere Wahl, als die Rallye weiterzufahren – und zu hoffen, das hinter den Kulissen die Probleme gelöst werden, wenn die Botschaften wieder arbeiten.
Solange wird Liparoti von X-Raid quasi ins Großaufgebot von deren Allrad- und Buggy-Team adoptiert. Die Hessen, die in den vergangenen beiden Jahren die Dakar gewonnen haben, stellen ihr Teambekleidung und alle nötigen Utensilien für den täglichen Bedarf zur Verfügung, sodass Liparoti sich trotz der Rückschläge und ihres spürbaren persönlichen Entsetzens voll auf die Rallye konzentrieren kann.
Man merkt der erfahrenen ehemaligen Quadpilotin an, wie sehr sie das Feuer mit all' seinen Konsequenzen mitnimmt. Ihr Blick geht ins Leere, die sonst immer fidel quietschende Stimme klingt matt und müde. Und doch mischt sich gerade beim Gedanken an die Hilfsbereitschaft von X-Raid eine warme Nuance darunter.
In solchen Situationen, lächelt Liparoti da wieder ganz leicht, zeige sich, dass die Teilnehmer der Dakar eben nicht nur Kontrahenten seien – sondern in erster Linie eine große Familie.