03.04.2025
Man muss sich schon wundern, wes Geistes Kind manche Leute sind. Etwa am Montag, bei einer Fahrveranstaltung von Dacia in Lünen, als ein Kollege, der sich mit Autotests befasst, in ein Gespräch platzte – mit der Anmerkung, das Interesse am Motorsport nehme ja immer weiter ab.
Wohlgemerkt: ein Journalistenkollege, der davon lebt, dass es der Autoindustrie gut geht; kein Umweltaktivist oder sowas. Man könnte auch sagen: ein Nestbeschmutzer ohne den nötigen Weitblick für die Sache mit dem Ast, auf dem man sitzt.
Und auch von Fachkenntnis weitgehend unbelastet. Denn während in deutschen Mainstreammedien das Narrativ gepflegt wird, dass Renn- und Rallyesport nicht mehr zeitgemäß seien und auch nicht den Nerv des Publikums treffe, sondern immer weniger Leute interessiere – da sind alle Formel 1-Grands Prix, aber auch die großen Sportwagenlangstrecken regelmäßig mit an die 100.000 Zuschauern ausverkauft. Bei den Rallyes drängeln sich je nach Event auch Hunderttausende an den Pisten, sogar beim DTM-Finale in Hockenheim waren 2024 so viele Fans wie sonst bei einem Fußballländerspiel der Nagelsmänner im Stadion.
Aber Motorsport interessiert keinen mehr?
Solche kruden Geschichten voller vorauseilender Wokeness gibt es zuhauf. Etwa von einem Kollegen, der sich weigerte, mit Dacia zur Rallye Dakar im Januar zu reisen. Mit der Begründung: Dacia hätte im Motorsport nichts verloren; Sport mit Verbrennungsmotoren sei ohnehin inzwischen das Allerletzte. Und Peugeot, die Marketingabteilung der Franzosen, verwehrte das Interesse an einer Geschichte für unsere Zeitschrift PITWALK auf ähnliche Weise. Wir wollten mit dem dänischen Le Mans-Jüngling Malthe Jakobsen, ein völlig unbekanntes Bürschlein, für eine Personalitystory zum Speedway nach Vojens, schließlich ist Speedway in Dänemark echter Volkssport. Der Rennfahrer war einverstanden, hatte richtig Bock. Aber die Marketingleute setzten dem ein P vor: Speedway? Mit Verbrennungsmotoren? Teufelszeug.
Kann man sich nicht ausdenken. Ist aber die Wahrheit. Und ein klares Indiz dafür, warum es mit der Autoindustrie bergab geht. Man lässt sich von Umweltschützern vorführen und schwenkt vor lauter Furcht auf eine Linie um, von der Marketing- und Presseleute meinen, sie biete keine Angriffsfläche für die Grünen mehr. Dass man dabei die eigene DNA bis zur Unkenntlichkeit verleugnet, kriegt man nicht mit. Aber dann wundert man sich, wenn keiner mehr die Autos kaufen mag. Und jammert über Umsatzrückgänge – bei gleichzeitig immer noch Milliardengewinne.
Man nehme nur mal Porsche. Die Schwaben sehen sich nicht mehr als „Premium“, sondern als „Luxus“. Dabei fahren allein auf Sylt so viele Porsche-Modelle rum, dass man vor lauter Übersättigung schon nicht mehr von Luxus reden kann. Es sind mehr Porsche unterwegs als AMG oder richtig dicke BMW. Aber die Schwaben halten sich für Luxus, präsentieren ihre Autos auf Kunstausstellungen etcetera – und merken nicht, dass sich dort keiner dafür interessiert.
Man muss nur mit Autohausinhabern sprechen. Niemand nimmt Porsche noch als exklusive Marke war. Im Gegenteil: Porsche gilt als Massenprodukt, seit Boxster und Macan.
Man verleugnet die eigene Herkunft und verrät die eigene Kundschaft, infolge dessen verprellt man sie auch. Deswegen kann man nur den Hut vor dem Häuflein Aufrechter ziehen, die sich noch in der Formel 1 engagieren: Mercedes und Ferrari, aber auch die Hinterherfahrer von Aston Martin und Alpine wissen immerhin noch, wo die Kernthemen der eigenen Kommunikation liegen und wo sich die Kernzielgruppe befindet, die man ansprechen muss, um Kunden zu generieren und vor allem: Kunden von anderen Herstellern zur eigenen Marke rüberzulocken.
Außerhalb Deutschlands hat man’s längst erkannt: Der Formel 1 ging es nie so gut wie heute. Zuschauerzahlen vor Ort, Einschaltquoten weltweit, dazu Klickzahlen im Netz und auf Social Media – es gibt keine Plattform, mit der über ein Jahr hinweg konstant so viele Leute erreicht wie mit den Grands Prix. Superbowl, Fußball-WM und andere Ausreißer setzen in der Spitze vielleicht noch höhere Werte. Aber in der Konstanz über die 10 bis 11 Monate, in denen man unterwegs ist, bleibt die Formel 1 unschlagbar.
Dass Deutschland – oder besser gesagt: einige Kernmärkte in Mitteleuropa, denn Frankreich ist genauso durcheinander – sich dabei selbst verzwergt, ist egal. Die Autos werden eh’ andernorts verkauft. Und in diesen anderen Märkten hat die Formel 1 eine Relevanz. Vor allem deshalb, weil sie genau wie jeder andere Rennsport nicht in vorauseilendem Gehorsam kleingeredet wird, sondern weil man sich an der Faszination, der Extravaganz und auch ein Stück weit dem Anachronismus erfreuen kann. Und darf. Der Enthusiasmus von Japan an diesem Wochenende steht dafür als bestes Beispiel: Die Asiaten bauen nachhaltige Autos – und genießen die Formel 1 und jede Form von Motorsport dennoch in vollen Zügen.
Denn niemand kann das ganze Leben lang freudlos und ohne Lachen durch die Tage kommen .